Diego geht zu weit

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Eigentlich kann es sich Diego Maradona bei seinen Landsleuten gar nicht verscherzen. So großmäulig er auch ist, so selbstdestruktiv er sich verhält, so gefühlskalt er seinem italienischen Sohn erst die Anerkennung und dann seine Liebe verweigerte… die Liebe der Argentinier war Maradona immer gewiss. Als bester Fußballer aller Zeiten, der sein Land 1986 zum WM-Titel führte und auf dem Weg dorthin die Engländer – die vier Jahre zuvor im Falkland-Krieg Argentinien gedemütigt und traumatisiert hatten – mithilfe der Hand Gottes sowie mit dem Tor des Jahrhunderts im Alleingang ausschaltete; als Underdog-Archetypus, weil aus einfachsten Verhältnissen stammend und zudem mit einem für einen Sportler eher unvorteilhaften Körper ausgestattet; als charismatisch emotionaler Mensch, der sich mit seinem Lebensstil oft selbst im Weg steht, und damit nur noch mehr Sympathien einheimst, ist Maradona ein Nationalheld. Er gehört zur argentinischen Volksseele wie sonst nur Tango, Rindfleisch und Mate-Tee. In einem Land voller Diegos weiß jeder, dass Maradona gemeint ist, wenn von Diego gesprochen wird. Er müsste also mehr Kredit bei den Argentiniern genießen als er in zehn Leben aufbrauchen könnte. Sollte man meinen, aber Diego scheint es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese These auf die Probe zu stellen.

Wie sein Freund Hugo Chávez bewundert Maradona den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad für dessen „Mut“, den USA und derem Teufelspräsidenten Bush die Stirn zu bieten. Nun hat er Ahmadinedschad Fanpost geschickt, in Form eines Trikots der argentinischen Nationalmannschaft, mit der Zehn auf dem Rücken, auf ewig Diegos Nummer. Am vergangenen Heiligabend hatte er sich schon nach einem Benefiz-Fußballspiel in Buenos Aires in der Umkleidekabine mit dem iranischen Handelsattaché getroffen (sicher eine sehr amüsante Szene), den Wunsch geäußert, den Präsidenten kennen zu lernen, und dem Diplomaten ein Trikot mitgegeben. Das war allerdings für das iranische Volk, dem Maradona gegenüber der argentinischen Tageszeitung Clarín von tiefstem Herzen seine Solidarität zusprach. Nun hat Ahmadinedschad ein Trikot ganz für sich allein bekommen.

Ganz und gar nicht witzig findet das Ganze die jüdische Gemeinde Argentiniens, die bei weitem größte Lateinamerikas. Nicht nur weil, nun ja, Ahmadinedschad gewisse Bemerkungen über Israel und die Weltkarte gemacht hat. Am 18. Juli 1994 wurde in Buenos Aires das jüdische Gemeindezentrum AMIA in die Luft gejagt. 85 Menschen kamen ums Leben. Obwohl die Tat bis heute nicht aufgeklärt worden ist, macht man in Argentinien iranische Agenten dafür verantwortlich. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind, sagen wir, nicht gut. Ich kann aus Erfahrung berichten, dass man es als Iraner extrem schwer hat, ein Visum für Argentinien zu bekommen.

Diego begibt sich auf Glatteis. Auch als Volksheld kann man sich nicht alles erlauben. Sergio Burstein von der Vereinigung der Angehörigen der AMIA-Attentatsopfer drückt es folgendermaßen aus: „Das Trikot gehört dem Volk und befindet sich jetzt in den Händen von einem, der den argentinischen Staat bedroht“.

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